Ungeachtet seiner Relevanz konnte der Discours sur l’économie politique von Rousseau bisweilen die verdiente Beachtung nicht gefunden. Diese Abhandlung wurde als ein Artikel über die ‘(moralische und politische) Ökonomie’ im 5. Band der Grande Encyclopédie im Jahre 1754 veröffentlicht und im Jahre 1758 in Buchform herausgegeben. Der Discours sur l’économie politique ist eine Schrift in Übergangszeit, mit deren Hilfe wir Rousseaus Gedankenentwicklung nachstellen und die Kohärenz seines philosophischen Systems beurteilen können. Darüber hinaus komplementiert diese Abhandlung den Inhalt des späteren Du Contrat social, indem sie einige konkreten Voraussetzungen und Maßnahmen für die Verwaltung einer ideal gestifteten Staatsverfassung vorgeben. Hier behandelt Rousseau das Problem der Ökonomie aus der Sicht von Moral und Politik, und definiert die wahre politische Ökonomie als eine Verwaltung der Regierung, die das öffentliche Wohl der staatlichen Gemeinschaft, d.h. das Wohl des Volks zum Ziel hat und gemäß dem legitimen Gesetz, welches das Ausdruck des Gemeinwillens des Volkes ist, durchgeführt wird. Dadurch kritisiert Rousseau auf der einen Seite Ausschweifung und expansionistische Machtsucht des Ancien Régimes und zugleich auf der anderen Seite die zeitgenössische Politische Ökonomie, die allein die Erhöhung der Produktionskraft und die Akkumulation des Nationalreichtums blind nachjagen, und versucht einige politischen, pädagogischen und ökonomischen Maßnahmen aufzustellen, die der Sichung und Erweiterung der Freiheit, Gleichheit und Wohlfahrt des Volkes dienen. Der vorliegende Aufsatz erhellt den Rousseauschen Gedanken der politischen Ökonomie und untersucht die Stelle und die Rolle dieser Schrift im gesamten System der Rousseauschen Philosophie, indem sie den Gehalt des Discours sur l’économie politique auf seine drei Teile von Rechtslehre, Tugendlehre und Wirtschaftslehre hin im Detail analysiert.